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Lichtpunkte

Sebastian Osterhaus

Sebastian Osterhaus künstlerische Gestaltung gibt einen Einblick in seine Welt: In ihrer Vielfalt so herausfordernd, dass etwa die Grenzen zwischen Menschen, Tier und Natur fließend ineinander übergehen. Um dies auszudrücken, nutzt er medien- und gattungsübergreifende Darstellungsmöglichkeiten, die seinem Anliegen, einer zeitgenössischen, kraftvollen und innovativen Malerei entsprechen. Den Künstler bewegen die unterschiedlichen Möglichkeiten in der Neuschöpfung von Figurationen sowie den Übersetzungen von Themen, wie die Beziehung zwischen Menschen und Tier. Die Werke, die dabei entstehen, dienen der Transkription und Charakterisierung von Mensch- und Tierfiguren auf Papier und Leinwand. Inspiration schöpft Sebastian Osterhaus sowohl aus Themen der Literatur und Kunstgeschichte, als auch aus aktueller Politik und traditioneller Volkskultur. Auf eine spielerische Art und Weise, unter Nutzung abwechslungsreicher Techniken, nähert er sich diesen Themen an, den Dialog mit dem Betrachtenden fordernd und wünschend.

Sebastian Osterhaus, „Wenn Motten ins Licht fliegen”, Öl auf Leinwand, 100 x 105 cm, 2019

Lichtpunkte im Werk von Sebastian Osterhaus

Einführungsrede von Kirsten Fitzke anlässlich der Ausstellungseröffnung

„Lichtpunkte” ist die Ausstellung von Sebastian Osterhaus überschrieben. Laut Duden handelt es sich hierbei um eine „punktförmige Lichtquelle”, der „Brockhaus” kennt den Begriff nicht und auch „Kröners Wörterbuch der Kunst” versagt beim Thema “Lichtpunkte”. Also bleibt nur die Spurensuche im Werk von Sebastian Osterhaus. Denn „punktförmige Lichtquellen” sind auf den ersten Blick eher weniger in seinen Arbeiten auszumachen. Doch zwischen den Werken bestehen räumliche, zeitliche und inhaltliche Blickachsen, kunsthistorische Traditionen – epochale Verbindungen – tauchen auf, inhaltliche Begegnungen zwischen Mensch und Tier, zwischen Leib und Landschaft, finden statt und technische Kombinationen zwischen Malerei, Collage und Zeichnung werden sichtbar. In einer zutiefst malerischen Tradition verwurzelt, schafft Sebastian Osterhaus mit jedem einzelnen Werk einen Lichtpunkt, der so manches Mal von einem einfachen Punkt zu einer strahlenden Fläche wird – mal im Hoch-, mal im Querformat.

Immer wieder rückt Sebastian Osterhaus den Menschen in den Fokus seiner Arbeiten. Er holt auf der Leinwand so manches Mal das Tier im Menschen hervor – dieses steht für das Wesen, den Charakter, für das Typische der dargestellten Person und wird somit zum ikonographischen Schlüssel, um das Innere des dargestellten Menschen auf der Leinwand sichtbar zu machen. „Ein weibliches Modell sagte zu mir, sie wäre eine Bulldogge“, erinnert sich der Künstler, an den zündenden Funken für die Mensch-Tier- Portraits. Die Vorstellung, eine Frau sieht sich selber als Bulldogge habe ihn so fasziniert, dass er das Modell ebenso malte – als Bulldogge. Fortan fragte er seine Modelle, mit welchem Tier sie sich vergleichen würden, oder spürte selbst nach, welche Tier-Assoziationen ein Mensch bei ihm auslöste. Im Schaffensprozess folgte sogleich auch die intellektuelle Auseinandersetzung – Sebastian Osterhaus geht der Bildtradition einzelner Tiere nach, recherchiert ihre tradierte Bedeutung und setzt den tierischen Partner des Menschen mal zentral, mal versteckter ins Bild. So bilden die Robben im Gemälde „Nordisch by Nature” nicht nur einen schützenden Rahmen für die dargestellte Frau, das Modell selbst mutiert auf der Leinwand regelrecht zum Tier. Der Maler kleidet sie in der hochformatigen Darstellung so in das Fell einer Robbe, dass nur ihr Antlitz von ihrer menschlichen Zerbrechlichkeit zeugt. Es kommt zur Beseelung des Portraits durch das Attribut Tier und so manches Mal auch durch die umgebende Landschaft. Für das Robbenensemble hat die Herkunft der Frau den Ausschlag gegeben. Sie stammte aus dem Norden Deutschlands und hatte mit einer nautischen Seerose, die sie sich auf den Körper tätowieren ließ, ihrer Leidenschaft für Meer und Weite Ausdruck verliehen. Dies griff der Maler auf und gab ihr die Robben an die Seite. Im Schaffensprozess steht diese assoziative Zuordnung eines Tieres zum Menschen zumeist am Anfang. Während ein Werk entsteht, sitzt bei Sebatian Osterhaus niemand stundenlang Modell. Der Künstler arbeitet mit einer Fotografie der Darzustellenden. Dies dürfte den Portraitierten schon deshalb entgegen kommen, da Sebastian Osterhaus gelegentlich auch bereits vollendete Gemälde wieder hervorholt und sich nach Jahren erneut mit den Kompositionen und Dargestellten beschäftigt.
Die Gründe, warum Sebastian Osterhaus jemanden zum bildwürdigen Motiv erklärt, sind ganz unterschiedlich. Er hat ein großes Bildarchiv aus Zeitungsartikeln über „ganz normale Menschen”, in dem Dinge schon einmal mehrere Jahre schlummern bis sie Eingang in seinen Schaffensprozess halten: Ein Mensch muss einen Reiz bei mir auslösen, er muss Tiefgründigkeit ausstrahlen,” sagt der Künstler. Fest steht beim Betrachten des Oeuvres ohne Zweifel, dass es zumeist Frauen sind, die diesen Reiz auf Sebastian Osterhaus ausstrahlen.
Auch das Gemälde „Wenn Motten ins Licht fliegen” zeigt auf der rechten Gemäldeseite eine Frau im lilafarbenem Kleid. Äste, Zweige und Blätter umgeben sie gänzlich. Sie wirbeln um die Frau herum, nehmen den Großteil der Leinwandfläche ein, überragen und begrenzen das Modell. Das Geflecht aus übereinander gelegten Ästen, die teils transparent die darunter liegenden Schichten freigeben, scheint zu vibrieren – gleich dem Flügelschlag der Motten. Sie werden angezogen von einer kreisförmigen Lichtquelle in einer buchähnlichen Fläche auf Höhe des Schoßes der Dargestellten. Ihre linke Hand befindet sich im Zentrum des Lichts. Sie ist es, die die Motten anzieht – nicht nur wie das sprichwörtliche Licht, sondern als Ursprung der anziehenden Helligkeit. Beachtung schenkt sie den Tieren jedoch nicht. Ihr Blick ist auf etwas außerhalb der linken hinteren Gemäldeseite gerichtet. So bleibt es auch dem Betrachter verwehrt, mit ihr in Kontakt zu treten. Die Motten anziehende Frau, die diesen keine Aufmerksamkeit schenkt, wird zum Sinnbild eine Femme fatal, die Männer in Scharen so selbstverständlich anzieht, dass sie die Bewunderer nicht einmal mehr wahrnimmt.
Um die Arbeiten von Sebastian Osterhaus zu entdecken, braucht es immer wieder den kritischen Betrachter. Der Besucher muss mehr als einmal hinschauen, denn seine Gemälde erschließen sich nicht flüchtig. Sie brauchen Aufmerksamkeit – auf der inhaltlichen Ebene ebenso wie auf der ästhetischen. Sebastian Osterhaus ist einem malerischen Stil verpflichtet. Aus den Flächen heraus entstehen seine Bildwerke. Selbst wenn er auf die Zeichnung als Gestaltungselement zurückgreift, behalten seine Arbeiten einen malerischen Charakter. Sebastian Osterhaus hat seine Bildsprache gefunden und entwickelt diese für sich weiter. Der Künstler sagt: “Die beste Kunst ist die, die Du selbst bist”. Und genau dann, wenn Werk, Wirkung und künstlerische Intention stimmig sind, entstehen Lichtpunkte.

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